Motor-Notstart-Schalter oder Zurück zum KISS-Prinzip
Ein befreundeter Segler konnte auf einem Törn plötzlich seinen Motor nicht mehr starten. Es handelte sich um einen neuen Volvo-Penta D1 mit – wie sich zeigte – Totalausfall der Elektronik.
Volvo Penta begann um 2006 mit der Einführung der aktuellen D-Serie von Schiffsdieselmotoren. Ich selbst habe einen D1-20 mit 18,8 PS. Das Foto zeigt den Motor vor dem Einbau im Jahr 2018. Die „Schwachstelle”, die sogenannte MDI-Box, sieht man im gelben Rahmen. Dies ist die elektronische Steuereinheit des Motors.
Die kleineren Motoren (mit bis zu 4 Zylindern und bis zu 75 PS) der D1- und D2-Serie arbeiten noch mit herkömmlichen, mechanischen Einspritzpumpen, sind aber dennoch über die MDI-Box (das elektronisches Schnittstellenmodul) an mehrere elektronischen Anzeigen angeschlossen.
Ein Ausfall der MDI-Box führt zum Absterben des Motors. Um für solch eine Situation gewappnet zu sein, habe ich auf meinem Schiff einen Motor-Notstart-Schalter eingebaut. Wie das geht, zeige ich hier mit einer kleinen Anleitung. Aus verständlichen Gründen übernehme ich dafür keine Gewähr. Im Garantiezeitraum sind Eingriffe dieser Art generell problematisch.
Unter seemännischen Fürsorge- und Sicherheitsaspekten sehe ich es als kritisch, dass Volvo-Penta für die kleineren Motoren (nur bei diesen Motoren mit mechanischen Einspritzpumpen funktioniert mein Tipp) nicht selbst eine entsprechende Empfehlung gibt. Aus diesem Grund habe ich Volvo-Penta um eine Stellungnahme gebeten. Wenn ich eine Antwort bekomme, werde ich sie hier veröffentlichen.
Zurück zu der Anleitung. Als Schalter dient dieser Motorstartknopf (12V-24V/50A /11.50€).
Der Schalter wird in einen unabhängigen, parallelen Motorstartstromkreis installiert. Hört sich kompliziert an, ist aber einfach. In diesem parallelen Stromkreis wird der Anschluss „START” mit dem Anschluss “BATT“ verbunden bzw. mit Hilfe des Schalters fürs Starten kurzgeschlossen. Beide Anschlüsse befinden sich auf der Unterseite der MDI-Box.
Die Befestigung des Notschalters erfolgt bei mir einfach, mit zwei Kabelbindern. Er ist nach dem Öffnen der Bodenklappe zum Motor aus dem Cockpit zugänglich.
WICHTIG!!
Diese Installation ist ausschließlich für eine Notsituation gedacht! Bei einem MDI-Box / Motorausfall auf See, wird damit die Motorfahrt zum nächsten Hafen ermöglicht. Das Starten des Motors unter Umgehung der ausgefallenen MDI-Box bedeutet allerdings ein Verzicht auf jede Motor-Überwachung wie bspw. Kühlmitteltemperatur oder Öldruck.
Glaubt man den Erfahrungsberichten im Internet, so laufen die Motoren der neuen D-Serie ansonsten gut. Die Elektronik ist aber anfällig. Ein Zitat aus dem Internet dazu: “Zumindest bei einigen Besitzern erlangte die MDI-Box schnell Berühmtheit als das unzuverlässigste Teil eines ansonsten hervorragenden Motors.“
Mein neuer Diesel lief bisher problemlos 160 Stunden. Er läuft ruhiger und vibrationsärmer als der alte, und er springt immer sofort an.
Bei meinem vorherigen Motor, einem Volvo Penta 2002 S/120 B, gab es kein elektronisches EVC-Instrumentensystem, sondern Automobilinstrumente alter Bauart für Kühlmitteltemperatur, Öldruck und Motordrehzahl. Außerdem einen eigenständigen Schalter / Relais für Glühkerzen, Anlasser und elektrischen Stopp. Ich würde gerne zurück zu einem solchen System mit weniger Elektronik. Zurück zum KISS-Prinzip “Keep It Simple and Stupid“. Dies gilt für die kleineren Motoren mit herkömmlichen, mechanischen Einspritzpumpen. Bei den größeren Motoren steuert die MDI-Box auch die Einspritzpumpen, wodurch die Elektronik deutlich mehr Sinn macht. Die Effektivität des Motors erhöht sich dadurch, weil sich die Ausnutzung des Diesels verbessert. Daraus resultiert ein niedriger Verbrauch und somit weniger schädliche Abgase.
Zum Not-Ausschalten gibt es noch das KISS-Prinzip. Dazu ein Abschnitt aus der Betriebsanleitung.
Hilfsstopp
Wenn der Motor nicht auf normale Weise gestoppt werden kann, besteht die Möglichkeit, ihn über den an seiner Seite angebrachten Hilfsstopp auszuschalten.
Ergänzung
Der von mir beschriebene Weg verzichtet auf ein Vorglühen des Motors. Als Notlösung reicht mir es so. Ich gehe davon aus, dass der Diesel nicht mehr ganz kalt ist und deshalb auch ohne Vorglühen anspringt. Werde diesen Not-Start-Knopf nur auf See, nachdem der Motor also bereits schon einmal gelaufen ist und nicht im Hafen benutzen und hoffe, ihn nie gebrauchen zu müssen.
Möchte man eine Lösung mit Vorglühen, muss das rote Kabel „Battery+“ und das orange Kabel „Preheat“ (siehe Skizze) verbunden werden. Aber Vorsicht: Die Glühkerzen ziehen jeweils etwa 10 A, die Belastung für den Schalter wären bei meinem D1-20 mit drei Zylindern dann 30 A. Dies sollte über ein Relais geschaltet werden und nicht direkt über einen Schalter.
Entscheidet man sich für ein Anlassen mit Vorglühen, bspw. in kalten Revieren, bietet sich ein Schalter wie auf dem Foto an.
Diese Exemplar kostet bspw. bei eBay 21.90 €.
Zitat aus der Beschreibung: Startschalter, Zugschalter, Glühanlassschalter der in zwei Stellungen festgehalten werden kann. In Stellung 1 (Vorglühen) und 2 (Starten). Er geht selbstständig in Stellung 0 (Aus) zurück.
Verlegung der MDI-Box
Die Montage des Motor-Notstart-Schalters nutze ich zur Verlegung der MDI-Box. Die Verbindung mit dem Motorblock ist wenig ideal und vielleicht auch ein Grund für die häufigen Ausfälle. Sensible Steuerelektronik sollte vibrations- und thermisch entkoppelt im Motorraum eingebaut werden und nicht direkt am Motor hängen. Mit dem Motor verbunden ist sie neben der hohen Temperatur auch der ständigen Vibration des Motors ausgesetzt.